6. Epilepsie – Psychische Auffälligkeiten

6 Psychische Auffälligkeiten

Es kann bei Epileptikern zu psychischen Auffälligkeiten kommen. (Muss aber nicht unbedingt.) Die können sehr vielfältig sein. Es können 2 große Gruppen auftreten:
1. exogene Psychosen (Erläuterung siehe unten)
2. reaktive Störungen (Erläuterung siehe unten)
In mancher Literatur wird noch von einer 3. Gruppe gesprochen, der
3. Wesensveränderung.
Dies ist aber sehr umstritten. Bei seltenem Anfallsauftritt ist dies auf jeden Fall nicht zu beobachten, v.a. wenn es sich nicht um große Anfälle handelt. Man könnte sich aber vorstellen, wenn jemand sein Leben lang sehr häufig länger anhaltende Grand-mal-Anfälle hat, dass sich der Sauerstoffmangel im Gehirn summiert und doch viele Nervenzellen untergehen und sich der Mensch verändert im Sinne von Umständlichkeit, Schwerfälligkeit, Verlangsamung, Haftenbleiben von Gedanken (also immer bei einem Thema bleiben). Es könnte aber auch sein, dass die die Epilepsie hervorrufende ursprüngliche Orginalschädigung des Gehirn dafür verantwortlich ist. Also: hin und wieder epileptische Anfälle schaden dem Gehirn nicht!!!!

 

1 – Exogene Psychosen
Psychosen sind schwere psychische Störungen, bei denen der Realitätsbezug des Klienten gestört ist. D.h., die Klienten haben ihre eigene private Realität, sie befinden sich auf einer anderen Realitätsebene als die so genannten „normalen“ Menschen. Sie sind also im wörtlichen Sinne „ver-rückt“. Da ihre Realität anders als unsere ist, kommt es häufig zu Kommunikationsstörungen, weil wir sie nicht verstehen und sie uns nicht. Exogene Psychosen sind Psychosen, die auftreten, weil das Gehirn in irgendeiner Weise gestört ist. Es ist also hirnorganisch „etwas nicht in Ordnung“, z.B. wenn Sie zuviel Alkohol trinken, haben Sie einen Rauschzustand und haben damit eine exogene Psychose. Auch wenn Sie dement werden, haben Sie Psychosen, weil das Gehirn zerstört wird. Und da bei jeder Epilepsie eine Hirnschädigung – und sei sie noch so klein – oder eine funktionale Hirnstörung vorliegt, können Klienten eine Psychose bekommen. „Exogen“ bedeutet hier nicht „von außen“, sondern es entsteht eine Störung durch „etwas, was da nicht hingehört“, z.B. Tumor, Durchblutungsstörung, FKH…).

Wann treten sie auf?
Sie können zu jeder Zeit auftreten, einfach so. Manche exogene Psychosen treten innerhalb der Aura auf (z.B. Geräusche hören, Lichtblitze sehen, manische oder depressive Verstimmungen).
Sie können aber auch nach einem Anfall auftreten (z.B. Dämmerzustände).

Oder sie kommen als Alternativpsychose vor. Diese kann man hin und wieder beobachten bei Klienten, die lange Zeit keinen epileptischen Anfall hatten und bei denen es aber „üblich“ war, in bestimmten Zeitabständen Anfälle zu bekommen. Stattdessen werden sie psychotisch. Meistens beendet der nächste epileptische Anfall diese Psychose. (Diese – auch schon in der früheren Psychiatrie – Beobachtung war die Geburtsstunde der umstrittenen Elektrokrampfbehandlung (EKB): Die elektrische Aktivität im Gehirn wird erhöht, ein generalisierter großer epileptischer Anfall ausgelöst und die psychische Ausnahmesituation „verschwindet“. Wie das genau funktioniert, ist bis heute noch nicht richtig geklärt.

Dämmerzustände
Der Klient „fällt“ in einen Dämmerzustand, es „passiert“ also relativ schnell. Am Ende verschwindet er oft allmählicher, bei manchen aber auch zeitlich scharf begrenzt. Die Dauer ist sehr unterschiedlich, Minuten bis selten Stunden.
Das Bewusstsein ist eingeengt auf ganz wenige äußere Dinge. Man nimmt die Welt wie mit einem „Tunnelblick“ wahr. Alles andere wird ausgeblendet. Deshalb reagieren die Klienten auch nicht auf Ansprache bzw. nicht adäquat. Sie sind desorientiert.
Das Bewusstsein kann evt. getrübt (leichte Benommenheit) sein, muss aber nicht.
Das Verhalten des Klienten kann geordnet sein, die Umwelt bekommt gar nicht mit, dass sich der Klient in einem Dämmerzustand befindet. Oft werden aber unbesonnene, sinnlose Handlungen ausgeführt, z.B. wie das Wasser aus der Vase kippen, Kämmbewegungen, lachen, schmatzen, Kampfbewegungen ausführen…
Es können illusionäre Verkennungen (Dinge werden anders als in der Realität wahrgenommen, z.B. aus Ästen werden lange Finger, aus Wolken Ungeheuer, aus dem Heilpädagogen die Mutter) und Halluzinationen (Sinnestäuschungen ohne jeglichen realen Hintergrund) auftreten.
Wenn der Klient aus dem Dämmerzustand herausgekommen ist, hat er eine Amnesie (Erinnerungslücke) für diesen. Seltener kann er sich an kleine Bruchstücke erinnern.

Durchgangssyndrome
Bei Durchgangssyndromen haben die Klienten psychische Auffälligkeiten, die vorübergehend sind, also „durchgehen“ und dann wieder – mehr oder weniger schnell – weg sind. Sie weisen immer auf eine Hirnfunktionsstörung hin. Meistens bedeutet dieser psychische Zustand, dass die Klienten wach und nicht benommen sind. Sie haben also keine quantitative Bewusstseinsstörung. In der Praxis und auch in manchen Lehrbüchern wird sich allerdings nicht so streng an diese Definition gehalten.

o Paranoid-halluzinatorische Psychosen
Hier haben die Klienten v.a. Sinnestäuschungen und Wahnidee. Wahnideen sind inhaltliche Denkstörungen, an denen der Klient unkorrigierbar festhält. Sie können einfach so in die Gedanken des Klienten kommen ohne realen Hintergrund (= Wahneinfälle). Oder die Klienten deuten etwas aus der Realität wahnhaft – d.h. nicht der Realität entsprechend – um (= Wahnwahrnehmungen)

o Halluzinatorische Psychosen mit Geruchs- und Geschmackssinnes- täuschungen

o Depressive Psychosen
Hier liegt vor allem eine hoffnungslose, resignierte Stimmung vor mit verlangsamten Denken (=Denkhemmung) und vermindertem Antrieb.

o Manische Psychosen
Die Stimmung der Klienten ist unangemessen euphorisch, der Antrieb gesteigert.

o De`ja-vu-Erlebnisse
Frz. „schon gesehen“, ist eine Erinnerungsfälschung, eine qualitative Gedächtnisstörung, die bei gesunden Menschen mal auftreten kann, bei Epileptikern aber gehäuft. Dem Klienten kommen Situationen bekannt vor.

 

2 – Reaktive Störungen
Reaktive Störungen können bei allen als Belastung erlebte Ereignisse auftreten. Sie sind psychische Auffälligkeiten, die auftreten können als Reaktion auf das belastende Erlebniss. So wird vielleicht ein Mensch mit der Diagnose „Epilepsie“ nicht fertig. Oder er fühlt sich von der Umwelt mit dieser Erkrankung geächtet oder ausgegrenzt, fühlt sich vielleicht nicht vollwertig. Es können auftreten

– Depressive oder gereizte Verstimmungen
– Alkoholmissbrauch
– Selbstisolierung
– Erhöhte Suizidrate im Vergleich zur „Normal“bevölkerung.

 

6 Psychische Auffälligkeiten
Psychische Auffälligkeiten bei Epilepsie

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